Die kleine Miss und ich haben es im Moment manchmal schwer miteinander. Das heißt, eigentlich hat auch der Rest der Familie seine liebe Mühe mit dem kleinen Mädchen. Schon immer war es in seinen Stimmungen wie ein Apriltag -im Moment ist dieser Apriltag aber besonders stürmisch. Jede Kleinigkeit schmeißt R. aus der Bahn, es muss nur die Schüssel in der falschen Farbe aus dem Tisch stehen und in ihr brodelt - und explodiert- es. Weinen und Schreien sind die ad-hoc-Reaktionen, wenn irgendetwas (was uns oft als Kleinigkeit erscheint) nicht genau so läuft, wie sie es sich in ihrem Köpfchen ausgemalt hat. Und fängt sie einmal an zu schreien, lässt sie sich auch nicht so schnell wieder beruhigen, oh nein. Sie steigert sich leidenschaftlich in ihr Unglück hinein und findet lange nicht heraus. Das ist regelrecht herzzerreißend!
Es geht derzeit oft ziemlich unharmonisch bei uns zu. Und viel lauter, als ich es gerne hätte. Ich freue mich jeden Tag nach der Arbeit wahnsinnig auf meine Kinder, aber manchmal bin ich schon nach 15 Minuten (und damit ungefähr nach der dritten Schreiattacke meiner Tochter) am Ende der Selbstbeherrschung und schreie zurück. Etwas, was ich nie machen wollte, was natürlich völlig kontraproduktiv ist, und worauf ich 2 min später mit Scham zurück blicke. Selbst L., der ohnehin schon von der nachgiebigen Sorte ist, hat letztens stockwütend und toternst gewünscht, eine andere Schwester haben zu wollen. Das hat das kleine Mädchen sehr getroffen. Und sie selbst hat auch schon gesagt, dass sie ihr "Knatschen" eigentlich selbst gar nicht mag. Ich weiß, sie will mich - will uns- nicht ärgern. Ich weiß, ihr Zuhause ist der Platz, wo sie das Vertrauen hat, all diese negativen Gefühle raus zu lassen. Aber in der Praxis ist es verdammt schwer, damit "richtig" umzugehen. Ich wünschte, ich könnte immer ruhig bleiben, ihre "Anfälle" (ich nehme an, obwohl sie bald vier wird, handelt es sich hier letztlich noch um Trotzanfälle) einfach ignorieren und wie aus dem Lehrbuch mich ihr dann "liebevoll wieder zuwenden", wenn sie sich beruhigt hat.
In ruhigen Stunden, wenn wir zusammen kuscheln und den Tag Revue passieren lassen, sieht sie ein, dass es andere Möglichkeiten gibt, seine Wünsche kund zu tun. Sie spricht ausgezeichnet und keiner von uns würde ihr Wünsche oder Bedürfnisse "einfach so" abschlagen oder überhören, wenn sie freundlich geäußert werden. Auch "Rücksicht" ist ein Konzept, was sie durchaus schon begreift. Aber nur theoretisch. Als Mann und Sohn letztens zum Beispiel mit Magen-Darm-Virus flach lagen und ich die kleine Miss morgens um halb sieben abfangen und mit ihr nach unten gehen wollte, damit die kranken Jungs noch ein bisschen schlafen können, war eine Paradesituation. Ich, flüsternd: "Mäuschen, lass uns beide schon einmal nach unten gehen und zusammen frühstücken, die Jungs sind ganz krank, die sollen noch ein bisschen schlafen..." Sie: "kreisch, heul, schrei" (ohne jede Vorwarnung) Ich: "????" Genauso baff wie ich war, genauso wütend war ich auch im Nu, genau gesagt auf 180. Aus ihrem Geschrei konnte ich entnehmen, dass sie ihr Prinzessinenkleid im Schlafzimmer liegen gelassen hatte und dies nun sogleich anzuziehen gedachte. Ausrufezeichen!!! Meine Beschwichtigungsversuche, ich könne ihr Kleid leise holen und sie könne es dann gerne unten anziehen, kamen schon gar nicht mehr bei ihr an. Es ist dann, als ob ihre Ohren sich verschließen, sie ist Argumenten und gutem Zureden gegenüber einfach nicht mehr zugänglich. Normalerweise hätte ich mir das Kind nun unter den Arm genommen und hätte es die Treppen heruntergetragen, leider geht das in meinem Zustand mit einem wehrigen Kind nicht mehr ganz so gut und im Übrigen hört man R´s Geschrei über drei Etagen. Ich stand also da und merkte, wie ich immer wütender wurde und ich schwöre, ich musste mich sehr zusammenreißen, um das Kind nicht aus dem Fenster zu werfen. Natürlich waren binnen zwei Minuten alle wach - und ich war böse und fühlte mich hilflos - und wie eine völlig unbrauchbare Mutter.
Erwarte ich zuviel von dem kleinen Mädchen? Das Problem ist, dass ich eben auch ein anderes Kind habe und auch dieses bereits durch die Trotzphase gebracht habe, das war auch mal anstrengend, für ein paar Monate. Aber so, dass ich mehrmals täglich an meine Grenzen gestoßen bin, so war es ganz sicher nicht. Ich entnehme dem, dass es nicht nur an mir und meinem Erziehungsverhalten liegt, dass meine Tochter so "unausgeglichen" ist. Ich bin mir sicher, dass manches auch einfach angeboren ist, wie auch Grundzüge des Charakters. Dennoch habe ich einen großen Einfluss mit dem, wie ich auf sie reagiere, das ist ja klar. Ich versuche wirklich kritisch zu hinterfragen, was ich anders machen kann. Ich weiß, dass Inkonsequenz nicht gut ist, allerdings sind wir alle nur Menschen und die ganze Familie neigt inzwischen dazu, es dem Töchterchen möglichst oft recht zu machen, damit es erst gar keinen Grund hat, herumzutoben. Dann wieder gibt es Situationen, wo insbesondere der HG aus Prinzip ihr nicht ihren Willen lassen möchte. Ich wiederum versuche ein Mittelmaß. Es geht mir überhaupt nicht darum, ihren Trotz oder ihren Willen zu brechen. Ich habe kein Problem damit, die Schüssel in der falschen Farbe auszuwechseln (allerdings erwarte ich eben auch schon von ihr, dass sie das selbständig tut, sie kennt die Schublade mit dem Kindergeschirr und weiß, dass sie dort herandarf - ich kann also den Grund, warum sie über eine "falsche" Schüssel ausflippt, wirklich nicht nachvollziehen). Ich versuche also je nach Situation, ihr entgegenzukommen, ihr Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen oder aber ihr zu zeigen, dass eine solche Reaktion unangemessen ist - dies insbesondere, wenn ich oder ihr Bruder etwas anderes möchten als sie, und wir einen Kompromiss finden müssen, oder eben auch mal jemand anderes "bestimmt". Vielleicht ist das aber nicht richtig. Vielleicht wäre es richtig, immer gleich zu reagieren, wenn sie schreit und weint, nämlich gar nicht. Gar keine Aufmerksamkeit für dieses Verhalten. Wenn das nur nicht so verdammt schwer wäre, insbesondere, wenn man nicht zu Hause ist.
Seit ein paar Wochen haben wir einen Elternkurs im Kindergarten, "Starke Kinder, starke Eltern". Davon abgesehen, dass der Kurs sehr interessant ist, hat mich eine Sache beruhigt. Ungefähr 80% der Eltern, die dort sind, haben eine ähnliche Herausforderung wie ich: ein Zweitgeborenes mit einem "starken Willen". Das löste bei der Vorstellungsrunde dann doch gewisse Heiterkeit aus. Die Kursleiterin hat uns auch einen ganz logischen Erklärungsansatz gegeben, nämlich den, dass jedes Kind sich automatisch eine andere Rolle sucht als das zuvor geborene Geschwisterkind. Und dass Erstgeborene eben oft etwas ruhiger, zurückhaltendere Kandidaten sind.
Jetzt frage ich mich nur, was No.3 sich noch für eine Rolle sucht? Vielleicht den viel schlafenden Familienclown? Schön wär´s.
Als das Töchterchen und ich am Wochenende alleine waren, haben wir uns einen netten Mama-Tochter-Tag gemacht, mit Reiten, Nudeln Essen Gehen, Schuhe Shoppen, Prinzessin Spielen und Cupcakes backen. Am Abend lag das kleine Mädchen selig im Bett, und ich war auch sehr glücklich, wenn auch leicht erschöpft. Da fragt R: "Mama, heute habe ich nicht so viel geknatscht, oder?" "Stimmt." "Du findest mich süßer, wenn ich nicht knatsche?" "Ja, das stimmt auch", musste ich lachend zugeben. "Also, ICH finde Dich auch süß, wenn Du knatschst", meinte sie dann und streichelte zuckersüß mein Gesicht, und ich musste ein kleines bisschen in die Decke beißen, weil ich nicht wusste, ob ich lachen oder weinen soll.



Ich liebe dieses Kind so sehr und wünschte, es wäre immer nur fröhlich und zufrieden. Aber das ist wohl ein zu großer Wunsch, wir müssen lernen, mit einer gewissen "Unausgeglichenheit" zu leben. Ob das ewige Mantra der genervten Mutter "EsistnureinePhase..." hier zutrifft, wage ich jedenfalls zu bezweifeln. Aber man kann sich ja mal selbst die Daumen drücken. Ansonsten freu ich mich schon mal auf die Pubertät und hoffe, dass ich bis dahin noch viel lerne!
Eure Emi