Montag, 10. Februar 2014

Das kleine Mädchen und der Trotz

Die kleine Miss und ich haben es im Moment manchmal schwer miteinander. Das heißt, eigentlich hat auch der Rest der Familie seine liebe Mühe mit dem kleinen Mädchen. Schon immer war es in seinen Stimmungen wie ein Apriltag -im Moment ist dieser Apriltag aber besonders stürmisch. Jede Kleinigkeit schmeißt R. aus der Bahn, es muss nur die Schüssel in der falschen Farbe aus dem Tisch stehen und in ihr brodelt - und explodiert- es. Weinen und Schreien sind die ad-hoc-Reaktionen, wenn irgendetwas (was uns oft als Kleinigkeit erscheint) nicht genau so läuft, wie sie es sich in ihrem Köpfchen ausgemalt hat. Und fängt sie einmal an zu schreien, lässt sie sich auch nicht so schnell wieder beruhigen, oh nein. Sie steigert sich leidenschaftlich in ihr Unglück hinein und findet lange nicht heraus. Das ist regelrecht herzzerreißend!

Es geht derzeit oft ziemlich unharmonisch bei uns zu. Und viel lauter, als ich es gerne hätte. Ich freue mich jeden Tag nach der Arbeit wahnsinnig auf meine Kinder, aber manchmal bin ich schon nach 15 Minuten (und damit ungefähr nach der dritten Schreiattacke meiner Tochter) am Ende der Selbstbeherrschung und schreie zurück. Etwas, was ich nie machen wollte, was natürlich völlig kontraproduktiv ist, und worauf ich 2 min später mit Scham zurück blicke. Selbst L., der ohnehin schon von der nachgiebigen Sorte ist, hat letztens stockwütend und toternst gewünscht, eine andere Schwester haben zu wollen. Das hat das kleine Mädchen sehr getroffen. Und sie selbst hat auch schon gesagt, dass sie ihr "Knatschen" eigentlich selbst gar nicht mag. Ich weiß, sie will mich - will uns- nicht ärgern. Ich weiß, ihr Zuhause ist der Platz, wo sie das Vertrauen hat, all diese negativen Gefühle raus zu lassen. Aber in der Praxis ist es verdammt schwer, damit "richtig" umzugehen.  Ich wünschte, ich könnte immer ruhig bleiben, ihre "Anfälle" (ich nehme an, obwohl sie bald vier wird, handelt es sich hier letztlich noch um Trotzanfälle) einfach ignorieren und wie aus dem Lehrbuch mich ihr dann "liebevoll wieder zuwenden", wenn sie sich beruhigt hat.

In ruhigen Stunden, wenn wir zusammen kuscheln und den Tag Revue passieren lassen, sieht sie ein, dass es andere Möglichkeiten gibt, seine Wünsche kund zu tun. Sie spricht ausgezeichnet und keiner von uns würde ihr Wünsche oder Bedürfnisse "einfach so" abschlagen oder überhören, wenn sie freundlich geäußert werden. Auch "Rücksicht" ist ein Konzept, was sie durchaus schon begreift. Aber nur theoretisch. Als Mann und Sohn letztens zum Beispiel mit Magen-Darm-Virus flach lagen und ich die kleine Miss morgens um halb sieben abfangen und mit ihr nach unten gehen wollte, damit die kranken Jungs noch ein bisschen schlafen können, war eine Paradesituation. Ich, flüsternd: "Mäuschen, lass uns beide schon einmal nach unten gehen und zusammen frühstücken, die Jungs sind ganz krank, die sollen noch ein bisschen schlafen..." Sie: "kreisch, heul, schrei" (ohne jede Vorwarnung) Ich: "????" Genauso baff wie ich war, genauso wütend war ich auch im Nu, genau gesagt auf 180. Aus ihrem Geschrei konnte ich entnehmen, dass sie ihr Prinzessinenkleid im Schlafzimmer liegen gelassen hatte und dies nun sogleich anzuziehen gedachte. Ausrufezeichen!!! Meine Beschwichtigungsversuche, ich könne ihr Kleid leise holen und sie könne es dann gerne unten anziehen, kamen schon gar nicht mehr bei ihr an.  Es ist dann, als ob ihre Ohren sich verschließen, sie ist Argumenten und gutem Zureden gegenüber einfach nicht mehr zugänglich. Normalerweise hätte ich mir das Kind nun unter den Arm genommen und hätte es die Treppen heruntergetragen, leider geht das in meinem Zustand mit einem wehrigen Kind nicht mehr ganz so gut und im Übrigen hört man R´s Geschrei über drei Etagen. Ich stand also da und merkte, wie ich immer wütender wurde und ich schwöre, ich musste mich sehr zusammenreißen, um das Kind nicht aus dem Fenster zu werfen. Natürlich waren binnen zwei Minuten alle wach - und ich war böse und fühlte mich hilflos  - und wie eine völlig unbrauchbare Mutter.

Erwarte ich zuviel von dem kleinen Mädchen? Das Problem ist, dass ich eben auch ein anderes Kind habe und auch dieses bereits durch die Trotzphase gebracht habe, das war auch mal anstrengend, für ein paar Monate. Aber so, dass ich mehrmals täglich an meine Grenzen gestoßen bin, so war es ganz sicher nicht. Ich entnehme dem, dass es nicht nur an mir und meinem Erziehungsverhalten liegt, dass meine Tochter so "unausgeglichen" ist. Ich bin mir sicher, dass manches auch einfach angeboren ist, wie auch Grundzüge des Charakters. Dennoch habe ich einen großen Einfluss mit dem, wie ich auf sie reagiere, das ist ja klar. Ich versuche wirklich kritisch zu hinterfragen, was ich anders machen kann. Ich weiß, dass Inkonsequenz nicht gut ist, allerdings sind wir alle nur Menschen und die ganze Familie neigt inzwischen dazu, es dem Töchterchen möglichst oft recht zu machen, damit es erst gar keinen Grund hat, herumzutoben. Dann wieder gibt es Situationen, wo insbesondere der HG aus Prinzip ihr nicht ihren Willen lassen möchte. Ich wiederum versuche ein Mittelmaß. Es geht mir überhaupt nicht darum, ihren Trotz oder ihren Willen zu brechen. Ich habe kein Problem damit, die Schüssel in der falschen Farbe auszuwechseln (allerdings erwarte ich eben auch schon von ihr, dass sie das selbständig tut, sie kennt die Schublade mit dem Kindergeschirr und weiß, dass sie dort herandarf - ich kann also den Grund, warum sie über eine "falsche" Schüssel ausflippt, wirklich nicht nachvollziehen). Ich versuche also je nach Situation, ihr entgegenzukommen, ihr Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen oder aber ihr zu zeigen, dass eine solche Reaktion unangemessen ist - dies insbesondere, wenn ich oder ihr Bruder etwas anderes möchten als sie, und wir einen Kompromiss finden müssen, oder eben auch mal jemand anderes "bestimmt". Vielleicht ist das aber nicht richtig. Vielleicht wäre es richtig, immer gleich zu reagieren, wenn sie schreit und weint, nämlich gar nicht. Gar keine Aufmerksamkeit für dieses Verhalten. Wenn das nur nicht so verdammt schwer wäre, insbesondere, wenn man nicht zu Hause ist.

Seit ein paar Wochen haben wir einen Elternkurs im Kindergarten, "Starke Kinder, starke Eltern". Davon abgesehen, dass der Kurs sehr interessant ist, hat mich eine Sache beruhigt. Ungefähr 80% der Eltern, die dort sind, haben eine ähnliche Herausforderung wie ich: ein Zweitgeborenes mit einem "starken Willen". Das löste bei der Vorstellungsrunde dann doch gewisse Heiterkeit aus. Die Kursleiterin hat uns auch einen ganz logischen Erklärungsansatz gegeben, nämlich den, dass jedes Kind sich automatisch eine andere Rolle sucht als das zuvor geborene Geschwisterkind. Und dass Erstgeborene eben oft etwas ruhiger, zurückhaltendere Kandidaten sind.

Jetzt frage ich mich nur, was No.3 sich noch für eine Rolle sucht? Vielleicht den viel schlafenden Familienclown? Schön wär´s.

Als das Töchterchen und ich am Wochenende alleine waren, haben wir uns einen netten Mama-Tochter-Tag gemacht, mit Reiten, Nudeln Essen Gehen, Schuhe Shoppen, Prinzessin Spielen und Cupcakes backen. Am Abend lag das kleine Mädchen selig im Bett, und ich war auch sehr glücklich, wenn auch leicht erschöpft. Da fragt R: "Mama, heute habe ich nicht so viel geknatscht, oder?" "Stimmt." "Du findest mich süßer, wenn ich nicht knatsche?" "Ja, das stimmt auch", musste ich lachend zugeben. "Also, ICH finde Dich auch süß, wenn Du knatschst", meinte sie dann und streichelte zuckersüß mein Gesicht, und ich musste ein kleines bisschen in die Decke beißen, weil ich nicht wusste, ob ich lachen oder weinen soll.






Ich liebe dieses Kind so sehr und wünschte, es wäre immer nur fröhlich und zufrieden. Aber das ist wohl ein zu großer Wunsch, wir müssen lernen, mit einer gewissen "Unausgeglichenheit" zu leben. Ob das ewige Mantra der genervten Mutter "EsistnureinePhase..." hier zutrifft, wage ich jedenfalls zu bezweifeln. Aber man kann sich ja mal selbst die Daumen drücken. Ansonsten freu ich mich schon mal auf die Pubertät und hoffe, dass ich bis dahin noch viel lerne!

Eure Emi

15 Kommentare:

  1. Liebes, ich sitze hier gerade im Wartezimmer und alle um mich herum - inklusive Kaffeemaschine und Wasserspender - müssen mich für total bescheuert halten, weil ich während ich diesen Post gelesen habe, ständig eifrig nicken musste. Am liebsten würde ich auspringen, die Faust indie Luft strecken und aus tiefstem Inneren brüllen:"Yes!!! Genau wie bei uns!!" Ich weiss, das tröstet Dich nicht, ich weiss, das hilft Dir nicht aber lass Dir eines gesagt sein: Du bist nicht schuld, Du bist eine tolle Mutter und vor
    allem, Du bist nicht allein!! Auch bei uns verhält es sich exakt so. F. ist nicht zickig oder so, nein sie scheint das in sich zu tragen, diese grundsätzliche "Unausgeglichenheit", wie auch du schreibst. Und genau das hat mir geholfen, nicht immer, das gebe ich zu. Aber das anzunehmen. Es nicht ändern zu
    können, mein Kind nicht und ihre Launen nicht (und doch noch die Hoffnung zu haben, dass es immer noch/wieder die Trotzphase ist). Weisst du, ich glaube, diese beiden Mädchen können einfach nicht aus ihrer Haut. Sie sind wie sie sind. Es ist wie es ist. Nicht alles liegt in unserer Hand. Und manchmal ist das auch gut so.

    Ich melde mich die Tage noch ausführlicher bei Dir, ja?

    Fühl Dich gedrückt, ganz fest. Ich denk an Dich ♡

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    1. Danke, meine liebe Z., das beruhigt mich tatsächlich sehr.

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    2. Tsja, hier sieht es ähnlich aus. Irgendwas muss wohl an der Theorie des Zweitgeborenen dran sein. Ich habe da leider auch keine Lösund parat, habe ich doch tagtäglich den gleichen Kampf und zweifel an mir. Aber man muss wohl seinen Frieden damit schließen und einfach akzeptieren, das unsere Kinder so sind wie sie sind. Nicht wegen uns. Sondern einfach von Natur aus. Nichtsdestotrotz ist es wahrlich nicht leicht, wenn die eigene Brut so extrem unterschiedlich ist und man phasenweise meinen könnte, man hätte sie irgendwo im Weidenkörbchen gefunden ;). GlG, H.

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  2. Meine Liebe, es ist schon spät und meine Bett ruft nach mir....
    Ich kann dir nur eines versichern, es wird besser :-)! Die Jahre zwischen 3,5/4 bis 6 waren auch bei uns echt sehr hart. Inzwischen ist sie deutlich verständiger und einsichtiger geworden und man kann deutlich mehr mit ihr klären, ohne Geschrei!!!!
    Also, duchhalten mit ganz viel Ohmmmmmmmmmmmm!

    Gute Nacht und ganz liebe Grüsse,
    R.

    PS: Was wird es denn?

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    1. Liebe N, das klingt echt gut...danke

      Was es wird? Ein Kind... :-)) --- Auflösung folgt!

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    2. Ach man....;-))!
      Ich tippe auf Mädchen :-)!

      LG,
      R.

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  3. Liebe Emi, Respekt mal wieder für Deine Offenheit! Ich kann mich Dir,meiner Vorschreiberin und den heiteren Kursteilnehmern nur anschließen - wir gehören auch zu den 80 %. Und ich zu den mitunter ausflippenden und hinterher ein schlechtes Gewissen habenden Müttern. Ich glaube auch nicht, dass das anders oder besser wird. Die Kinder sind so wie sie sind. Und sie müssen anders sein als ihre Geschwister - ich nenne es immer das "Good-guy"-"Bad guy"- Verhalten, finde aber die Erklärung Deiner Kursleiterin sehr schlüssig. Als "Good guy" kann sie "keinen Blumenpott mehr gewinnen", wie man bei uns so schön sagt, die Rolle ist besetzt. Was also soll sie sonst tun, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen?
    Als ihr Bruder in die Schule kam und sie sich im Kindergarten ihren eigenen Raum eroberte, konnte man dabei zusehen, wie ihr Verhalten anders und "besser" wurde. Sie merkte plötzlich, dass da Freiraum war, dass ihr positives Verhalten nicht mehr mit dem ihres Bruders verglichen wurde. Und schon gab es Platz dafür. Leider war das aber auch nur eine Phase...
    LG; Heidi

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    1. Liebe Heidi,

      als ich Deinen Namen gelesen habe, da bin ich vor Freude fast im Viereck gesprungen. Hach, das ist ja fast wie früher hier...
      Ich grüsse Dich auf diesem Wege mal ganz lieb und drück Dich fest und hoffe, es geht Euch gut?!

      Alles, alles Liebe (das gilt natürlich für Euch alle!),
      Eure Z., die gerade ganz sentimenal wird...

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    2. Liebe Heidi, danke für den Kommentar, es "freut" und beruhigt mich wirklich, dass es bei anderen so ähnlich ist! Schön, dass Du hier bist!

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    3. Ja, wirklich schön, dass "Ihr alle" hier seid.... Ich freu mich sehr

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    4. Liebe Zoa, liebe Emi,

      jetzt rührt mich doch nicht so! Da kommen einem ja die Tränen in die Augen, wenn Ihr Euch so freut! Aber ich freu mich auch, dass Ihr so ganz öffentlich hier schreibt und ich so die Möglichkeit habe, mit Euch in Kontakt zu bleiben. Zoa, natürlich lese ich auch Deinen Blog ganz regelmäßig und finde ihn herzzerreißend schön. Und ich vermisse das WoZi...
      LG; Heidi

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  4. Liebe Emi (???), wenn es Dich trösten kann, F. hat immer noch ab und zu Trotzanfälle aber I. ist ein absoluter Clown (das mit dem Schlafen ist noch nicht ganz drin aber wer weiss....). LG, Agnès

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    1. Liebe Agnes, wie schön, Dich wenigstens hier zu treffen, wenn es schon im realen Leben nie klappt...
      "Künstlername", klar, oder? L. hätte ja als Mädchen Emilia geheißen, daher kam der Name, als ich mich damals zu Kinderwunschzeiten im Internet herumgetrieben habe....

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  5. Ach meine Liebe, mit einem solch starken Temperament habe ich beim Kleinmädchen auch zu kämpfen gehabt. Mehrmals täglich. M-e-h-r-m-a-l-s !
    Nun liegt der starke Trotz hinter uns und ich kann lächelnd zurück schauen. Ich habe sie oft sehr viel unausgeglichener empfunden als gleichaltrige Kinder meiner Freunde. Sie hat einfach ein irrsinnig starkes Temperament und das kann verdammt anstrengend sein. Es geht vorbei. Wie du schreibst sind sie ja selbst meist unglücklich über das Ausmass der Reaktionen, können sich nur in der Situation leider selbst nicht helfen.
    Der kleine Prinz ist ja nun noch sehr klein, aber ich wage jetzt schon zu behaupten, dass das bei ihm anders laufen wird. Er ist so ausgeglichen. Das war sie schon in diesem Alter nicht. Immer unter Strom.
    Ich spüre diese "Rollensuche" also auch sehr deutlich. Nur hier in der anderen Reihenfolge.
    Liebste Grüße und halte durch!

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  6. Hallo meine liebe M, na, es ist zumindest auch sehr beruhigend, dass scheinbar niemand zwei kleine "Berserker" zu Hause hat. Schön, dass Dein Mädel durch die ärgste Phase durch ist.
    Allerliebste Grüße in die Hauptstadt!
    Emi

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